Video-Konferenzen Das Charisma und die weibliche Stimme

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Video-Konferenzen: Das Charisma und die weibliche Stimme

Können Online-Meetings diskriminierend sein? Laut zwei Forschern aus Magdeburg und Göteborg offenbar ja. Der Grund hat allerdings technische Ursachen: Frauenstimmen sind höher und dünner als die Stimmen ihrer männlichen Kollegen und werden bei der Übertragung im Chat deshalb als weniger ausdrucksstark und charismatisch wahrgenommen. Mit neuem Wissen soll nun technisch nachgerüstet werden.

Tools wie Zoom oder Skype übertragen nicht alle Sprachanteile oder besonders dünne Frequenzen. Anteile weiblicher Sprache werden von den technischen Systemen deshalb besonders häufig aufgrund ihres hohen Datenvolumens ausgeblendet. Dies haben Jun.-Prof. Dr.-Ing. Ingo Siegert vom Institut für Informations- und Kommunikationstechnik der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität und Prof. Dr. Oliver Niebuhr von der dänischen Sønderborg-Universität herausgefunden. Untersucht wurden die Übertragungswege von Remote-Meetings und die Wirkung von Sprachkompression. Auffällig: Frauenstimmen kommen viel schlechter weg als Männerstimmen.

Abstriche bei emotionalen Komponenten

Siegert betont, dass digitale Meetings, die seit Corona vermehrt zum Berufsalltag gehören, „den Reichtum und die Reichweite nonverbaler Kommunikationssignale stark einschränken – bei Männern genauso wie bei Frauen.“ Den Grund dafür verortet er in der starken Kompression der Sprachsignale, die übertragen werden müssen. Um zu erforschen, wie sehr diese Kompression die Stimmqualität beeinflusst, haben die Akademiker in einer Studie Testhörer und Testhörerinnen Hörbeispiele von trainierten Sprecherinnen und Sprechern bewerten lassen – auf einer Skala von 1 bis 10. Ergebnis: Die weiblichen Audiobeispiele, die alle aus Remote-Meetings entnommen waren, wurden in der Regel deutlich schlechter beurteilt.
In einem zweiten Schritt nutzten die Wissenschaftler dieselben Aufnahmen, um akustische Marker wie Stimmumfang, Stimmhöhe und Klangtiefe zu messen. Fazit: Den weiblichen Stimmen fehlten verglichen mit den männlichen Stimmen wesentliche emotionale Komponenten – eben diejenigen Eigenschaften der Stimme, die ihr erst Ausdruck und Charisma verleihen.

Mit frischem Wissen nachsteuern

Siegert betont, dass in der Audioverarbeitung bislang mit vorher festgelegten Frequenzbereichen gearbeitet werde, die „vor allem den höheren Frauenstimmen nicht immer gerecht werden.“ Mit dem neu gewonnenen Wissen könne man nun aber nachsteuern, da man die Effekte konkret aufzeigen und messen konnte. Bei der Entwicklung der Codes für digitale Meeting-Tools soll deshalb künftig nicht lediglich auf die reine Qualität der Sprache und die Unterdrückung von Nebengeräuschen geachtet werden – sondern auch auf die Übertragung von Merkmalen wie Emotionalität oder Ausdrucksstärke.

Das „wie“ entscheidet

Damit dies gelingt, müssen die neuen Optimierungskriterien bei der künftigen Entwicklung von Kompressionsmethoden berücksichtigt werden. Gute Kompressionsmethoden sollen in Zukunft also nicht mehr nur für stabile Verbindungen sorgen, sondern auch eine gute akustische Qualität garantieren, die widerspiegelt, wie etwas gesagt wird. Denn die Wirkung von Stimme ist enorm wichtig, wenn es darum geht, zu überzeugen, Dinge zu gewichten oder Präsenz zu zeigen. Die Stimme ist laut Siegert bei Video-Konferenzen deshalb so wichtig, weil diese Meetings oft unter schlechten Licht- und Haltungsverhältnissen stattfinden.