Insolvenzen: Wirklich weniger als erwartet?

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Insolvenzen: Wirklich weniger als erwartet?

Trotz Corona und damit verbundenem Konjunktureinbruch: Weniger Unternehmen als erwartet haben im Jahr 2020 Insolvenz anmelden müssen. Das ifo Institut hat für das Bundesfinanzmisiterium eine Kurzerhebung veranlasst. Demnach sei die Lage weniger schlimm als ursprünglich prognostiziert. Doch bildet diese Behauptung die Realität ab – oder handelt es sich einfach um schöne Statistik?

Laut Timo Wollmershäuser, Prognosen-Leiter am ifo Institut, hätten die voraussichtlichen Forderungen aus beantragten Insolvenzverfahren auf etwa 60 bis 100 Milliarden Euro steigen müssen. Berechnungsgrundlage hierfür sei, dass „historische Zusammenhänge zwischen der Konjunktur und dem Insolvenzgeschehen“ fortgeschrieben werden.
Tatsächlich sind die Forderungen im Jahr 2020 jedoch nur auf 48 Mrd. Euro gestiegen, im Jahr 2019 waren es nur 34 Mrd. Euro.

Ausgesetzte Antragspflicht schönt die Statistik

Dieser Anstieg sei jedoch vor allem durch die Insolvenz der Wirecard AG bedingt gewesen. Diese Insolvenz schlug mit etwa 13 Mrd. Euro zu Buche und sei keine direkte Folge der Pandemie gewesen. Für Insolvenzen war die Antragspflicht seit dem 1. März 2020 ausgesetzt. Deshalb ist die Anzahl der Insolvenzen zunächst nicht weiter angestiegen. Welchen Einfluss staatliche Hilfen auf das Insolvenzgeschehen hatten, werde in den Prognosen ebenfalls nicht dargestellt. Die Prognosen basieren allein auf historischen Zusammenhängen – und in diesen könne der Umfang und die Auswirkung dieser Maßnahmen nicht dargestellt werden, so Wollmershäuser.

Laut Schätzung des Ifo Instituts haben die staatliche Hilfen das Insolvenzrisiko im Schnitt um etwa 25 Prozent gesenkt. Vor allem Unternehmen, die 2020 Hilfen vom Staat in einer Gesamthöhe von 40 Mrd. Euro erhalten haben, vermeldeten weniger Gewinneinbrüche. Auch die Personalkosten seien durch einen verstärkten Rückgang der geringfügig Beschäftigten und das Kurzarbeitergeld zurück gegangen. Das Insolvenzrisiko weiter gesenkt haben laut Wollmershäuser auch die steuerlichen Liquiditätshilfen.

Modellprognose kontra Realität

Inwieweit die „Modellprognose“ die tatsächliche Anzahl „realer“ Insolvenzen 2020 widerspiegelt, könne noch nicht abschließend beurteilt werden. Wieder in Kraft getreten ist die Insolvenz-Antragspflicht im Frühjahr 2021 und seitdem hat das Insolvenzgeschehen deutlich zugenommen. Allein bis zum August dieses Jahres haben sich die voraussichtlichen Forderungen auf 47 Mrd. Euro summiert. Es zeichnet sich deshalb bereits deutlich ab, dass es in diesem Jahr einen deutlichen Anstieg an Insolvenzen zum Vorjahresvergleich geben wird. Die relativ moderate Statistik hat das Jahr 2020 vermutlich lediglich der Aussetzungsverordnung zu verdanken. Denn aufgeschoben ist ja leider nicht aufgehoben.